Wie halte ich meinen Hund mit einfachen Mitteln bis ins hohe Alter fit und Beweglich?

Interview mit Sabine Huber von „Bewegungsdrang Tierphyisotherapie“ in Büsingen – Teil 1

Hunde Physiotherapeutin Sabine Huber im Interview

Wieso schreibe ich als Fotografin überhaupt einen Blogbeitrag über die Beweglichkeit und Fitness eines älteren Hundes?

Anfang des Jahres hatte ich mir überlegt, wie ich Piper für unser grosses Abenteuer im Mai – wir werden durch Schottland reisen und dabei sicher auch viele Kilometer per Pedes zurücklegen – körperlich möglichst gut vorbereiten kann. Madame wird dieses Jahr ja auch schon 12 und hat seit einer schweren neurologischen Erkrankung im jungen Alter körperliche Defizite, die mit fortschreitendem Alter natürlich wieder deutlicher zu Tage treten. 

Während ich mir also einen kleinen Trainingsplan überlegt habe, kommt mir dann die Idee zu diesem Blogbeitrag.

Ich habe Sabine angeschrieben und gefragt, ob sie mir zum Thema Beweglichkeit beim alten Hund ein paar Fragen beantworten würde.

Sie war sofort mit an Bord, denn als Physiotherapeutin ist es für sie eine Herzensangelegenheit, unseren Oldies so lange wie möglich ein schönes und schmerzfreies Leben zu ermöglichen. 

Nun aber genug der Einleitung. Jetzt geht's zum Interview mit Sabine von Bewegungsdrang Tierphysiotherapie in Büsingen:

Liebe Sabine, erzähl doch gerne zuerst etwas über dich und deinen Werdegang. Wie lange bist du schon Tier-Physiotherapeutin?

Seit Anfang 2019 bin ich selbständige Physiotherapeutin. Meine Ausbildung habe ich 2015 begonnen. Sie hat fast drei Jahre gedauert, da ich zusätzlich zur Physiotherapie auch noch eine Osteopathie Ausbildung gemacht habe. Bei letzterer hört man eigentlich nie auf, sich weiterzubilden. Die Osteopathie ist so umfangreich, dass ich aktuell auch wieder in einer zusätzlichen 4-jährigen Ausbildung bin. 

Hast du selber auch Hunde?

Ja genau. Ich habe zwei Hunde. Einer davon ist ein Grosspudel und nun ist noch ein kleiner Strassenmischling dazugekommen.

Wie ich dir bereits geschrieben hatte, möchte ich mit dir darüber sprechen, was man seinem Hund, wenn er älter wird, Gutes tun kann. Wie wir ihm helfen können, damit er so lange wie möglich fit und beweglich bleibt.

Meine erste Frage dazu ist jetzt aber, wie erkenne ich überhaupt, dass mein Hund anfängt körperlich abzubauen?

Dieser Abbau passiert immer schleichend, degenerativ. Am besten beobachtest du deinen Hund beim Spaziergang. Es gibt nämlich ein paar Indizien, die dir zeigen, wie es deinem Hund geht.

Ältere Hunde bekommen als allererstes Rückenschmerzen. Es sind nicht die Gelenke, also Ellenbogen oder Knie, es ist der Rücken, der Probleme macht. Er verursacht bei 90% aller älteren Hunden zuerst Schmerzen.

Als Erstes beobachte, wie die Rute deines Hundes mitschwingt, wenn er vor dir herläuft. Wenn sie nicht mehr gleichmässig schwingt, sie z.B. in eine Richtung mehr ausschlägt als in die andere Richtung, ist das ein erstes Warnzeichen dafür, dass etwas nicht mehr stimmt.

Das Zweite, worauf du schauen solltest: Wo ist der Kopf?

Rassebedingt ist es natürlich unterschiedlich, wie hoch der Hund generell seinen Kopf hält.  Aber was immer auffällig ist, ist wenn der Kopf anfängt zu nicken. Das ist höchste Alarmstufe!

Denn wenn der Hund anfängt zu nicken, holt er Schwung aus dem Kopf. Dann tut ihm in der Schulter oder im Ellenbogen etwas weh. Der Schwung aus dem Kopf hilft ihm, die Vorderhand zu bewegen und den Schulter-/Ellenbogenbereich zu entlasten.

Bei älteren Hunden ist es auch sehr auffällig, dass ihr Kopf beim Spazierengehen immer tiefer sink. Ein ehemals stolz hochgetragener Kopf wird hängen gelassen.

Der Grund ist, dass ältere Hunde vor allem im hinteren Rücken Schmerzen bekommen. Diese Körperregion entlasten sie, indem sie vorne den Kopf hängen lassen. So verlagern sie den Körperschwerpunkt nach vorne. Dadurch wird natürlich die Vorderhand viel stärker belastet, so dass die Schulter und der gesamte Brustbereich komplett verhärtet und verspannt sind.

Dadurch wir dann der Schritt verkürzt, damit mehr Schub in der Vorderhand kommt und die Hinterhand maximal entlastet wird. Was die Hinterhand wiederum komplett abbauen lässt.

Viele ältere Hunde haben hinten neurologische Probleme. Nervenbahnen, die eingeklemmt werden und wodurch die Muskulatur alleine schon weniger wird. Dazu schont der Hund die Hinterhand dann auch noch. Das Ganze entwickelt sich zum Teufelskreis und spätestens jetzt sollte man den Hund mal einem Physiotherapeuten oder besser Osteopathen vorstellen. Dieser kann hinten die Muskulatur lösen und durch Neurostimulation, das was an Nerven noch vorhanden ist, möglichst lange erhalten. Und da kann man wirklich noch ganz viel tun. 

Achtet also genau darauf, wo trägt euer Hund den Kopf und was macht die Rute.

Wie bewegt sich die Rute? (die Dinger an den Pfoten sind im 2. Teil Thema)
Wie sitzt der Hund?

Was du auch mal genauer betrachten kannst ist, wie dein Hund sitzt. Ältere Hunde sitzen vorne oft breit, die Vorderpfoten also weiter auseinander. Damit stabilisieren sie sich, entlasten das Brustbein und stellen die Schulter breit. Sie entlasten damit auch den Plexus brachialis, ein Nervensystem, was darauf hindeutet, dass dort was weh tut. 

Auch wenn dein Hund zum Beispiel bei der Fellpflege, beim Bürsten, auf einmal abhaut oder sich zu versteckt, dann würde ich immer kurz überlegen: Weshalb macht er das jetzt?

Wenn ich beim Bürsten über die Wirbelsäule fahre und dabei vielleicht etwas mehr Druck ausübe, er mich dann entsetzt anschaut, dann hat er da ziemlich sicher Schmerzen. Und ich finde es total schade, wenn man sein Verhalten einfach damit entschuldigt, dass der Hund halt alt ist.

Oft sind es einfach auch nur Muskelverspannungen – und die kann man ja lösen. Das ist kein Hexenwerk.

Legt eure Hände an eure Hunde und ihr spürt, wo es ihnen weh tut.

Gerade beim Bürsten zeigen sie es ganz deutlich. Viele hauen auch gar nicht ab, sie gehen einfach in die Knie, legen sich hin, beginnen zu hecheln, schmatzen etc. und geben uns sanfte Beschwichtigungssignale.  Auf die sollten wir achten. 

Also würde es demnach auch Sinn machen, den Hund ab einem gewissen Alter von einer Fachperson mal anschauen zu lassen. Ab welchem Alter würdest du es empfehlen?

Wenn ich eine Wunschliste hätte, würde ich mir wünschen, dass man mit dem Hund zum Physio Jahrescheck geht. Spätestens ab 8 Jahre, so pauschal gesagt. Wenn der Hund in das geriatrische Alter kommt.

Denn einen falschen oder veränderten Gang bei seinem Hund erkennen nur die wenigsten. Da nehme ich mich nicht aus, denn dieser Prozess ist so schleichend und unauffällig, dass ich diese minimalen Veränderungen gar nicht bemerke, weil der Hund täglich vor mir her wackelt. Man erkennt es selber meistens erst, wenn der Abbau wirklich weit fortgeschritten und halt einfach offensichtlich ist. 

Dort kann man sich auch einfach ein paar Hausaufgaben abholen. Ganz simple Handgriffe, mit denen man dem Hund selber zu Hause sehr viel Gutes tun kann und ihm damit meiner Meinung nach Jahre schenkt.

(Auf diese Handgriffe gehe ich im Teil 2 genauer ein und habe dazu auch Anschauungsvideos gemacht)

Man hört eigentlich immer, dass man beim alten Hund keine Muskeln mehr aufbauen, sondern nur noch den Abbau verhindern kann. Stimmt das?

Du kannst Muskeln immer aufbauen, aber es ist natürlich ein Unterschied, ob du mit einem jungen Hund oder einem alten Hund arbeitest. Es dauert viel länger und du kriegst auch keinen wahnsinnig grossen Bizeps mehr hin – jetzt mal mit Menschen verglichen. Wenn ein junger Hund in ein paar Wochen 2cm an Muskeln aufbaut, bist du froh, wenn du beim alten Hund nach ein paar Monaten vielleicht 5 mm dazu packen kannst. Aber Aufbau geht immer.

Ok, jetzt nehmen wir an, mein Hund ist noch relativ mobil und fit. Was kann ich auf dem Spaziergang machen, damit er lange genauso fit bleibt?

Die einfachste Art, den Hund beim Spazierengehen fit zu halten ist, such dir Wege die uneben sind. Geh den Wurzelwaldweg anstelle des Feldweges, wo alles ausgeebnet ist. Denn jedes Mal, wenn der Hund konzentriert über ein Hindernis laufen muss, übt er.

Und bei den meisten älteren Hunde ist halt das Neurologische das grösste Problem. Das heisst, sie haben Probleme damit, die Pfote anzusteuern. Also leg einfach mal ein paar Äste mitten auf den Weg und lass den Hund zwei, drei Mal über die Äste gehen. So muss er ganz bewusst seine Pfoten heben. Denn Hunde werden aufs Alter so minimalistisch, dass sie ihre Pfoten nur noch Millimeter über dem Boden ziehen, wenn sie denn nicht schon mit den Zehen schleifen.

Das wäre übrigens ein weiteres Stichwort. Wenn man die Krallen beim Spaziergang schleifen hört,  ist das auch ein Zeichen, dass man was tun sollte. Aber das ist den Hundehaltern zum Glück meistens klar.

Solche unordentlichen Stellen sind gute Übungsplätze
Beim Spazieren einfach mal möglichst konzentriert da durch

Eine weitere gute Übung ist das Aufdehnen der Wirbelsäule. Lass den Hund das Leckerlie mal vom Popo abholen. Natürlich nur soweit es noch geht. Wenn er mit der Hinterhand nachrückt, ist es vielleicht schon eine Spur zu viel Dehnung. 

Alles was Beweglichkeit erhält, ist gut und wichtig. Und pack deinen alten Hund nicht in Watte! Sag nicht, ach du bist jetzt schon 12, da reichen 30 Minuten Spaziergang. Mach immer das Maximum, was geht. Manchmal muss man den Hund auch ein wenig zu seinem Glück zwingen und ein wenig weiter spazieren als er Lust hat. Natürlich ist das immer eine Gratwanderung, denn Nervenschmerzen werden mehr, je mehr er sich bewegst. Aber wenn du deinen Hund in Watte packst, ist das der Anfang vom Ende. 

Aktivität ist auch für den Kopf wichtig. Denn alte Hunde werden dement wie wir Menschen. Bei ihnen nennt sich das CDS (Cognitives Dysfunktions-Syndrom) und dem kann man ein wenig entgegenwirken, indem man sie eben mitnimmt und fördert.

Beweglichkeit beim alten Hund auch geistige Foerderung ist wichtig
Ein Fotoshooting ist für den Kopf übrigens auch super 😉
Man erlebt zusammen ein Abenteuer, gerade mit einem älteren Hund toll

Damit endet Teil 1 meines Interviews mit Sabine.

Es waren so viele Informationen, dass ich nicht alles in einen Beitrag schmeissen will, denn das alles kann sich niemand aufs Mal merken. Und manches muss man auch sacken lassen. 

Ich bin auch ziemlich sicher, dass es dir ab heute auf dem Spaziergang wie mir geht und du nun permanent die Rute und den Kopf deines Hundes beobachtest. 😄

Im zweiten Teil haben wir über zwei Gerätschaften gesprochen, die man auf dem Markt so bekommt. Und sie hat mir drei Handgriffe gezeigt, die ich Zuhause selber an meinem Hund anwenden kann, um kleinere Verspannungen in der Wirbelsäule zu lösen und das Gewebe wieder elastisch zu machen.

Wenn du jetzt vielleicht denkst, dass dein Hund von einer Fachperson in Augenschein genommen werden sollte oder du deinem Hund einfach etwas gönnen willst, findest du über den Button unten ganz einfach die Website von Sabines Praxis. Ich kann sie dir wärmstens empfehlen – auch Piper fand sie super und das ist die beste Empfehlung überhaupt!